Knoten

Knoten

Nun heimgekommen empfingen mich durstige Pflanzen und meine gnädige Waage, welche mir nur ein Kilölchen mehr Gewicht wie vor den Ferien anzeigte. Nichts desto trotz half mein Streifen T-shirt das Kilölchen nicht zu verbergen: „Hast über die Ferien ein Bäuchlein bekommen“ Seufz. Nie mehr Streifen….

zuviel

zuviel

Es ist doch immer die gleiche Leier. Aber ich spiele sie jetzt trotzdem. Denn würde das Menschenkind was lernen von vergangenen Dummheiten, wären wir woanders mit unserem Planeten oder was uns umgibt. Mich umgibt nämlich jetzt Ende Ferien zweieinhalb Kilos mehr Polsterung an meiner Fassade.

Positive Mindset

Nun musste ich mal diesen Hebel bewegen. Oder anschalten. Oder besser umschalten. Von sieben Tagen Regenwetter zu Sonne. Denn es ist, war und bleibt sonnig. Zumindest draussen. Warum also Trübsal blasen? Beziehungsweise blase ich ja eher Blockflöten, doch meine Hormone spielen seit Monaten verrückt, es können nur die sein, denn meine Blutwerte sind optimal. Genug Eisen, Vitamine und meine Schilddrüsen funktionieren wie eine Eins. Nur eben ist mit 51 Jahren auch nicht mehr alles so wie mit 27. Also können es nur die Hormone sein. Und nein, ich will keine schlucken. Somit bot ich meinem Gejammer die Stirn und schaltete den Hebel um: Freude herrscht. Positive Mindset nennt man das. Oder auf Deutsch: Positives Denken. Tönt aber nur halb so cool.

Normalerweise sind mir diese „alles ist wunderbar“, „lass uns die Welt umarmen“, „nur noch farbige Kleider anziehen“ - Menschen mehr als suspekt. Denn denen ging’s wohl genauso grundlos verschissen wie mir, aber Zack! Love is in the air!

Bei mir ist gerade Zigarettenrauch in the air. Ich habe nämlich vor lauter guter Laune nach den feinen Spaghettis, meine Lieblingsspeise, eine Zigi geraucht. Das steht jetzt auch auf meiner Gute-Laune-Mindmap. Ich habe mir seit gestern vorgenommen, jeden Abend aufzuschreiben, was am vergangenen Tag alles schön war. Dafür habe ich eine Mindmap-App benutzt. Farbenfroh mit Bubbels.

Denkt jetzt ja nicht, ich habe eine an der Waffel. Das hatte ich vorher. Aber so was von. Ich habe mich selber nicht mehr erkannt. Dann sind so ein paar farbige Bubbels gerade Peanuts.

Wie es mir geht? Grandios. Ich wollte soeben schreiben, ich könnte Bäume ausreissen. Aber ehrlich gesagt überkommt mich gerade eine Müdigkeit, wohl vom vielen positiven Mind setten. Und mir fällt ein, ich muss noch die Wäsche aufhängen und die Küche machen ….. uff. Bevor ich zu klönen beginne, stehe ich wohl besser auf und freue mich schon jetzt über die danach getane Arbeit.

Ojemine. Was für ein Gesalbe !

Marokko

Marokko, ein Land mit viel Geschichte. Oder vielmehr ein Territorium mit viel Geschichte. Da waren wohl alle. Von den Römern zu den Osmanen, den Juden, jeglichen Berberstämmen, den Arabern und natürlich auch die Amerikaner und die Europäer waren und sind noch immer da. Alle brachten ihre Kulturen, Religionen und Gebräuche mit. Akzeptierten und/oder stritten sich. Wollten ihr Stück vom Kuchen und/oder bestimmten über die Verteilung.

Nun auch ich war im Märchenland. Tausendundeinenacht. Herrliche Paläste, Riads genannt, durfte ich bewohnen. Durch die Gassen schlendern und billig wunderbares Kunsthandwerk bestaunen oder kaufen. In einfachsten Ateliers mit alten Werkzeugen hergestellt. Immer freundliche Menschen begrüssten mich. Meist mit ein paar fehlenden Zähnen. In Marokko verdienen die Menschen wenig bis fast nichts. Und arbeiten viel. Können sich aber, wie die meisten Menschen auf diesem Planeten, ihre Gesundheit kaum leisten. Das Tausendundeinenacht ist uns Ausländern vorbehalten.

Mit dem Mietauto fuhren wir durch die fertile Landschaft. Dank den Bergen und den Flüssen sind die Täler seit Jahrhunderten gut bewässert. Von Rabat nach Chefchaouen und weiter nach Fes. Unterwegs die fleissigen Menschen auf den Feldern bestaunend, mit Pferd, Esel oder Maultieren bestückt. Gut genährt und muskulös waren die Tiere, denn sie konnten, während dem sie bepackt wurden, das feine Grün um sie herum fressen. Darauf mussten sie rennen. Hü. Mit Ware und Menschen auf dem Buckel oder im Schlepptau. Aber auch die Menschen hier sind muskulös. Traktoren sahen wir auf unserer Reise ganze vier. Und Autos können sich die wenigsten leisten. Darum wird, wenn kein Vierbeiner einem trägt, zu Fuss gegangen, Fahrrad gefahren oder eine Mitfahrgelegenheit gesucht.

Schäfer hat es auch viele. Entweder sie hüten nur eine Kuh oder ganze Herden. Meist Schafe oder Ziegen. Mit Stöcken werden sie getrieben oder von der Strasse weggehalten. Nur sind die Tiere nicht so dumm. Flink grasen sie sich der Strasse entlang. Denn da wächst der Halm, nicht auf dem Teer. Ansonsten werden die Tiere an langen Seilen angebunden oder ihre Vorderbeine zusammengebunden. So kommt kein Esel weit.

In den Städten hat es tausende von Katzen. In jeder Ecke und jeder Ritze sitzt oder schläft ein Kätzchen. Und werden von den Bewohnern gefüttert oder sie reissen die Abfallsäcke auf. Irgendwie geben die Katzen dem Ganzen noch einen mystischen Touch dazu.

Zudem war Ramadan. Eigentlich schon fast ein Volksfest, dieses gemeinsame Fasten und Leiden. Die Kinder sind stolz, wenn sie auch schon ein paar Tage gefastet haben. Dann sind sie wie die Grossen. Tagsüber schleppt man sich müde durch den Tag. Dann, eine halbe Stunde vor dem Fastenbrechen, leeren sich die Gassen und Strassen, die Läden werden geschossen, nachdem die letzten sich noch schnell was zu essen oder zu trinken kauften, und man eilt mit dem Blick auf die Uhr nach Hause. Es wird menschenleer und totenstill. Nur die Katzen und wir Touristen schlendern noch durch die Strassen. Dann erklingt die Sirene und von den Minaretten wir mit schöner oder weniger schöner Stimme zum Beten und Fastenende aufgerufen. Man versammelt sich Zuhause, auf den Dächern oder gemeinsam am Meer. Die Strassen bleiben leer, denn es wird gegessen und getrunken. Jeden Abend ein kleines Fest. Und danach geht’s meist raus. Die Strassen leben wieder auf. Die Läden machen wieder auf. Man versammelt sich und geniesst das Beisammensein mit Nahrung. Die Kinder spielen, die Menschen schwatzen und lachen. Die Nacht lebt.

Und wir werden langsam müde von den vielen interessanten Eindrücken. Und ziehen uns in unser Märchenschloss zurück.

Zeit

Was ich mir gestern alles vorgenommen habe! Also nicht wirklich was grosses wie die Welt erobern oder noch besser, die Welt verbessern. Nein, aber trotzdem viel zu viel. Zum Beispiel die Kleider sortieren. Die, welche von den Motten zerstört wurden und welche noch einigermassen heil sind. Das ist ein Elend mit diesen Motten. Da habe ich vor drei Jahren Grosses Vollbracht. Nämlich ALLE Kleider gewaschen, ich habe doch eine grosse Sammlung, und die Schränke geputzt, eingegiftet, Löcher und Ritzen mit Klebestreifen abgeklebt, damit ja keine Motte mehr überlebt, und wenn, dann nirgends ein einziges Eilein legen kann… Kasch dängge! Mindestens ein Männlein und ein Weiblein müssen überlebt haben, ein Ritzlein gefunden, und ihre Jungen haben sich durch meine neue Hanro Wolle-Seide-Unterhemden und durch meine schönen Kaschmir Pullover gefressen. Einen Monat Arbeit für die Katz.

Nun, die Kleider liegen heute noch auf dem Haufen, denn ich habe mir gestern noch anderes vorgenommen, wie zum Beispiel, das Bad reinigen, vollbracht, oder das feine Ölivenöl aus Ligurien mal in einen kleineren Behälter abzufüllen, um es mit dem exzellenten Toskanischen zu vergleichen. (Ja, ja, ich weiss, es gibt kein besseres als aus der Toskana.) Nun war ich vorsichtig, zu vorsichtig anfangs, damit ich das Keramikgefäss nicht überfülle. Extra auf einem Holzbrett habe ich die Aktion ausgeführt. Man weiss ja nie. Oder man weiss eben doch. Denn wenn ich zu vorsichtig bin, überkommt mich danach der Übermut, und es kam wie es kommen sollte: Es überlief… Nun kann man so feines Olivenöl ja nicht einfach wegspülen. Für das Holzbrett einzuölen war es zu viel ausgelaufenes, für meine Blockflöten zu olivenlastig. So musste der Tisch meines Grossvaters herhalten. Seine Beine lechzen schon lange nach einer Ölung. Ich verbrachte also eine ganze Weile mit einölen, auch die Kochlöffel und die hölzernen Messergriffe wurden eingeölt. Und meine sich schälende Haut dazu, adieu brasilianische Bräune. In der Zwischenzeit war die Putzfrau angekommen und schon auch fleissig am Staubsaugen, um meine Kleiderhaufen und meine Ölaktion. Auch kam ihre Tochter noch vorbei für einen Schwatz, die Nachbarin um uns alle zu sehen und und und. So blieb mir nichts anderes übrig, als das Spiel des Lebens, nämlich „die Zeit läuft einem davon“ mitzuspielen und es zu geniessen. Was soll’s. Ob ich jetzt zwei Löcher mehr im Pullover habe oder nicht.

Und ja, Serafino findet es sicher auch netter, auf der Weide im Wind zu grasen, als auf dem Plätzchen die Übungen zu machen. Und dann war auch schnell Abend. Aber immerhin ist jetzt die Wohnung sauber, das Holz geölt, und vielleicht schaffe ich es heute, meine Kleider zu sortieren und der verlöcherten Wahrheit ins Angesicht zu sehen….mir graut jetzt schon davon!

Unbegabt

Wo soll ich anfangen? Vielleicht, dass ich jetzt im frisch bezogenen Bett liege. Was für ein herrliches Gefühl! Noch herrlicher wäre es, ich hätte es nicht selber beziehen müssen… Es gibt nämlich kaum etwas, was ich mehr hasse, als ein Bett, oder, nein, MEIN Bett zu beziehen. Wie wunderschön wäre es also gewesen, ich wäre in mein von jemanden anderem frisch bezogenes Bett geschlüpft. Dann wäre es, macht es die Putzfrau, perfekt bezogen gewesen.

Ich gebe mir zwar immer Mühe. Aber es fängt schon an mit dem baumwollnen Matratzenschoner. Nie will der so wie ich will. Zu fest nach links, mehr in die Ecke, zu fest nach oben…. Dann das Leintuch. Fixleintücher habe ich zum Glück schon länger abgeschafft. Nerventechnisch. Die nur schon im Schrank versorgen. Einfach hässlich. Und dann beim Beziehen der Matratze ein Kampf. Meist nimmt man die falsche Ecke der Matratze. Mit aller Mühe noch die letze, dann schiesst der Gummi einer anderen Ecke in die Höhe…. Nein, nein, abgeschafft. Ich brauche Omas Leintücher für mein Bett. Nur, wie es die Putzfrau immer meistert, die so gestrafft auf die Matratze zu kriegen, ist mir ein Rätsel. Ich gebe mir auch da vergebens Mühe, renne von einer Seite zur anderen, ziehe und streiche, aber: Es sieht immer aus, als ob soeben eine rumhüpfende Kinderschar mein Bett verlassen hätte. Ich fange meist an zu schwitzen vor Ärger.

Danach das allermühsamste: Die Bettdecke. Auf dem Bett stehend, den Überzug über die Decken schüttelnd: Boing, schlage ich mir den Kopf an der schönen dänischen Vintage-Lampe an. Irgendwann fällt die mal runter. Und bis die Decke dann einigermassen gleichmässig im Überzug drinliegt, Knöpfe, ein paar fehlen, bin ich mit den Nerven am Ende. Es brauchen noch die Kopfkissen ihren Überzug.. Nur passen die auch nie. Meist zu gross. Aber was soll’s. Irgendwie stopfe ich die rein, sowieso ist der Rest des Bettes auch ein Gewurstel. Ich könnte weinen.

Die gleiche Unbegabung habe ich im Blumenstrauss arrangieren. Wie bewundere ich doch meine Gotte, welche, als sie früher zu uns zu Besuch kam und einen halb vergilbten Blumenstrauss entdeckte, die noch einigermassen schönen Blumen, meist das Füllgestrüpp, rauszupfte, mit denen und der Rosenschere in den Garten verschwand, und auch im tiefsten Winter mit dem schönsten Maien wieder hereinkam.

Wehe, man gibt mir Blumen in die Hand und ich muss sie in eine Vase stellen! Oh weh. Danach sieht es aus, als ob ein Wirbelsturm durch den Strauss zog.

Mag ich mich doch erinnern, zu meinen Studienzeiten, wo ich housesitten durfte. Da wurde mir ein ganz wundervoll spartanisches Arrangement mit Mohnblumen und einem Zweig in einer schönen Glasvase als Dankeschön überlassen. Nur, beim Wasserwechsel versuchte ich, die Blumen und der Zweig wieder in ansehnlicher Formation in die Vase zurück zu stecken. Der Mohn lampte aber einfach über den Vasenrand, der Zweig sah auch eher aus, als ob er bald für einen Cervelat über dem Feuer gebraucht würde. Ich hätte am liebsten alles miteinander zum Fenster hinausgeworfen.

Nun, die Blumen können mich mal, jetzt wieder zurück zu meinen frisch bezogenen Bett. Ob verknuddelt oder nicht: Man macht die Augen zu und es schläft sich trotzdem wunderbar!

Unumgänglich

Wenn ich in die Tropen verreise, gibt es garantiert einen Sonnenbrand und auf jeden Fall eine Magendarmverstimmung. Da nützen jegliche Vorsichtsmassnahmen nichts, da kann ich noch so sorgfältig sein, ich kann machen wie ich will, es ist hoffnungslos unumgänglich.

Dieses Mal habe ich mir meinen Sonnenbrand im Schatten eines Betongebäudes geholt. Unter seinem Vordach. Um mich ja nicht zu verbrennen. So döggelete ich, mich im Schatten schützend, einen Text auf dem Aussensofa in mein iPhone, und als meine Gastgeber nach einer Stunde dazukamen, fragten sie mich, warum ich so lange in der Sonne gewesen sei und erst jetzt im Schatten sitze. Ich sei „bem vermelho“. „Ich war nur im Schatten!“ rief ich entsetzt. Ich rannte zum Spiegel und schnell wieder weg. Wie hässlich! Ein „camarão“! Wir kamen zum Schluss, das wohl der Terrazzoboden die Sonne reflektierte und so war ich einseitig rot, am Hals sah ich aus wie ein Zombiestreifenhörnchen.

Und wie ich zur Magenverstimmung kam, das war wirklich rätselhaft. Ich esse ja immer überall alles. Somit könnte man sagen, dass ich eher leichtsinnig bin. Nicht wie mit der Sonne. Aber dieses Mal war es von mir aus gesehen grundlos. Schaukelte ich ein bisschen in der Hängematte gegen Abend. Dann urplötzlich war mir speiübel. Zuerst gab ich der Hängematte schuld. Dann lag ich ins Bett und alsbald musste das Klo und der danebenliegende Abfallkübel herhalten. Danach schlief ich bis am anderen Tag: Mein Verdauungsapparat war wieder zufrieden. So einfach ist das.aber warum? Wir kamen zu keinem Schluss

Und zum dritten Unumgänglichen: Die Abschiedsmelancholie. Der letzte Tag der Abreise. Es fängt schon mit der schlaflosen Nacht davor an. Morgen muss ich noch von dem und dem profitieren, das und das einpacken, einkaufen, essen, sehen,…. und alles mit einem Seufzen. „Saudade“ fängt schon an, bevor man überhaupt vermissen kann. Weil man das bald zu vermissende eben noch hat. Zwar das Gegenteil, aber ein bisschen ähnlich ist die Vorfreude. Da freut man sich auf etwas, welches man noch nicht hat. Der Satz: Freue sich nicht zu früh, ist bedenkenswert. Wird man bei Vorfreude danach enttäuscht, hatte man mindestens zuvor Freude. Freut man sich nicht, und danach verläuft es sich noch unglücklich, hatte man zweimal keine Freude.

Aber wieder zum Abschied. Ich geniesse gerade die letzten Minuten Strand, hüpfe manchmal ins Meer und bin im Kopf aber schon am Koffer packen, im Taxi, am Arbeiten und mich psychisch vorbereiten auf die Kälte, die nackten Bäume, die Winterkleider, die bleichen Menschen, den angekündigten Regen und die viiiiiiiele Arbeit, welche mich in den nächsten Wochen erwartet. Und alles mit einem letzten Blick auf das tobende Meer, mit dem Sausen des Windes in den Ohren, den vom Wind klebenden Sand an den Backen, und einem langsam knurrenden Magen nach einer letzten Tapioca, oder einem Pão de queijo, oder Pastéis de camarão?

Saúde!

Hier liege ich nun in oder am Praia do Sagi in der Hängematte. Wo sich Schildkröten und Krebse gute Nacht sagen. Strand Strand und nochmals Strand. Menschenleer. Wo die Welt noch in Ordnung ist. Oder meint, in Ordnung zu sein.

Die Wellen toben. Draussen schwimmen zwei einheimische Fischer zum kleinen Fischerboot. Bei ruhigerem Meer benützen sie eine aus Holz fabrizierte, schwimmende Plattform. Und später ein Mann, der in seinem winzigen Segelbötchen Richtung Ufer zurücksegelt, es kurz vor Ankunft zu einem SUP umfunktioniert, um es an Land zu bekommen.

Hier, wo wir normalsterblichen Europäer das Häuschen direkt am Meer uns leisten, die Natur geniessen, den Sternenhimmel und den Mond nachts bewundern können, haufenweise „Camarão” und tropische Früchte essen, die üppige Natur bewundern, die ungeteerten Strassen, die kleinen Häuschen, die simple Lebensweise lieben.

Wo sich das Meer und die salzige Luft, die Sonne und der Wind alles zueignen machen. Früher oder später. Der Mensch, inklusive oder gerade der „reiche“ Europäer, oder der aus Europa abstammende Südamerikamer, welche das Haus in forderster Front besitzt, im Kampf gegen die Natur.

Im kleinen Supermarkt (und auch in den grossen) gibt’s kein Bio, kein Öko, keine naturnahen Produkte. Sondern Nestlé, l’Oréal, KraftHeinz, Unilever und wie all die Grosskonzerne heissen. Silikone, Parabene, Plastik und Chemie. Monsanto auf den Äckern. Ökologie am Arsch. Alles, was bei uns verboten ist oder nächstens sein wird, kommt hier in die Läden und auf die Felder. Das grosse Geld macht Europa (und die USA). Und nicht die Chinesen. Die Politiker hier bekommen dafür Anerkennung und das Land Exportrechte. Für Fleisch (Huhn, Schwein, Rind), tierisches Futtermittel, Eisen, Stahl, Öl, Zuckerwaren, Mais, Soja und und und. So einfach ist das.

Soviel nochmals zu sustainable. Und warum wir uns sustainable überhaupt leisten können. Doch in Brasilien herrscht sustainable Armut. Dreissig Prozent der Bevölkerung, also über sechzig Millionen Menschen, hauptsächlich dunkelhäutige, meist Frauen, leben in Armut und leiden an Hunger hier im Lande. Und nicht etwa weil die „heutigen bösen Politiker“, nein, vor allem weil das schon immer böse Europa hier seit über 500 Jahren ihr Unwesen treibt. Lektüre dazu: ein Artikel der Heinrich Böll Stiftung.

Nichtsdestotrotz höre ich dem Meer zu, beobachte ich den über dem Strand vor mir schwebende Greifvogel, und lasse mich von der im Wind leicht bewegenden Hängematte besänftigen. Ja besänftigen, denn hier habe ich Zeit nachzudenken, zuzuhören, hinzusehen, zu verarbeiten und bin ich ehrlich, ein klein wenig zu verzweifeln. Vielleicht sollte ich besser ein Buch lesen? Oder noch besser einen Film mit Happy End?

Aber vielleicht am Besten: Einen Caipirinha trinken und Samba hören. Das trübt die (sensiblen) Sinne und macht glücklich!

Saúde!

Nackt

Nackt

Heute Morgen, relativ früh für meine Verhältnisse, die vier Stunden Zeitunterschied sind wohl einer der Gründe des zeitigen Erwachens, wog ich mich nackig im Pool der Gastgeber ein paar Längen zu schwimmen. Nackt oder nicht nackt, Libellen flogen über meinen Kopf, tropische Vögel schnappten sich im Tiefflug Insekten, welche sich über dem Wasser tummelten, und ich schwamm meine bescheidenen Längen.

Soso

Soso

Hier bin ich nun im Norden Brasiliens und geniesse „a vida tropical“. Gerade muss ich wieder in den Schärmen segglen, eine Regenwolke lässt sintflutartig grüssen. Kaum ist man im Schärmen, hört es wieder auf giessen und die Sonne lässt alles erstrahlen.

Valentinsstress

Vor ein paar Tagen war Valentinstag. Überall hängen Herze rum, im Restaurant werden Spezial-Menüs serviert, die Blumenläden und überhaupt alle Läden preisen spezielle Valentinstag-Angebote an. Rote Unterwäsche mit Blümchen oder Herzchen. Echt jetzt?

Eigentlich sollte man diesen Gebrauch abschaffen. Denn in einer festen Beziehung geht er dir auf den Sack (ausser der Partner vergisst ihn), in einer lockeren ist der Tag ein heisses Eisen, und als Single bist du frustriert. Oder tust so, als ob du es nicht bist. Man könnte eigentlich sagen, der Valentinstag ist für Singles wie der 1. November für die Hinterbliebenen. Ein unterdrückter Trauertag. Vielleicht ist er noch vielmehr. Ausgrenzung zum Beispiel. Und ganz sicher ein Marketingstag. Wie Black Friday. Nur mit doppelt so hohen Preisen.

Weihnachten könnte man auch gleich abschaffen. Stress hoch drei. Erstens Familien Alarm , zweitens Geschenke- und Dekorationsstress und drittens Völlerei. Mit dem Familienalarm kommt dazu, dass heutzutage diese alte Form von „eine Familie“ nicht mehr existiert. Somit man, falls Kinder vorhanden, meist mit vier Grosselternpaaren einzeln gefeiert werden muss, da sie alle neue Partner haben. Und es meist unmöglich ist, die zu kombinieren. Dann die Frage, wer der Eltern am 24. ,und wer am 25. mit den Kindern, seien sie so alt wie ich oder jünger, feiern darf/muss/kann., erschwert die fröhliche Zeit auch noch..

Dann das moderne Credo: Keine Geschenke. Das klappt nie. Die Kleinen ziehen einen Lätsch und die Grossen können es nicht lassen. Zumindest die Gastgeber sollten doch was kleines bekommen. Und für die Gäste nur das beste: Ein Weihnachtsbaum wäre doch schön, und ein paar Engelchen. Und Kerzen. Und und und. Ja, und die Völlerei, die ist unumgänglich mit all diesen vielen Weihnachtsabenden. Welche sich meist jeden Abend bis fast Silvester reihen. Wehe es hat noch jemand Geburtstag. Dem vergeht das Feiern gleich. Der sehnt sich nach Einsamkeit und Fast-food.

Nun, wenn wir da schon vom Stress sprechen, dann kommt mir noch ein Stress in den Sinn. Nämlich der Weggeh-Stress. Vielleicht ist der mir auch einfach eigens. Oder nur ich empfinde ihn so. Sei es, ich bin eingeladen, ich muss zur Arbeit oder gehe in die Ferien. Ich bin kurz davor gestresst. Was soll ich anziehen? Ist es kalt oder warm? Passen die Schuhe? Soll ich die Haare waschen oder nicht? Habe ich alles dabei? Geht mein Auto noch an? Hat es Stau? Fährt der Zug (Frankreich)? Fliegt das Flugzeug? Kommt das Taxi? Höre ich den Wecker? Werden meine Pflanzen richtig gegossen, wenn ich weg bin? Klappt alles mit Serafino? Noch schnell aufs Klo oder abwarten? Am Flughafen: Wie lange braucht es zum einchecken? Hat es viele Leute am Security-Check?

Und im Auto: Kann der Idiot da vorne nicht mal nach rechts? Sonntagsfahrer! 80, geht’s noch?!! Schon wieder rot! Im Zug und im Flugzeug die grosse Nervenfrage: Erwische ich den Anschluss? Beim einchecken: Muss ich mein Handgepäck abgeben. Habe ich Übergewicht? Kommt mein Koffer an?

Eigentlich müsste ich nach jeder/m Fahrt/Flug direkt einen Schönheitsschlaf absolvieren. Ich will gar nicht wissen, wie ich aussehen würde, wenn ich diesen Stress nicht hätte. Faltenlos mit Fünfzig. Seufz.

So bin ich jetzt überpünktlich in Amsterdam gelandet, ein Viertel Falte reicher, und schon geht der Stress los, obwohl ich genug Zeit habe. (Die Falte wächst). Vielleicht sollte ich doch echt mal meine Nerven überdenken. Oder: Reisen abschaffen…? Niemals! Lieber Faltenhund-mässig an einem Reise-Stress-Herzinfarkt sterben.