Heute Morgen, relativ früh für meine Verhältnisse, die vier Stunden Zeitunterschied sind wohl einer der Gründe des zeitigen Erwachens, wog ich mich nackig im Pool der Gastgeber ein paar Längen zu schwimmen. Nackt oder nicht nackt, Libellen flogen über meinen Kopf, tropische Vögel schnappten sich im Tiefflug Insekten, welche sich über dem Wasser tummelten, und ich schwamm mehr oder weniger fleissig hin und her.
Oh wie herrlich ist es, nackt zu baden! Wenn das Wasser alle Ritzen, Hautfalten, einfach frei den Körper umhüllt, berührt, streift oder noch besser; sanft streichelt. Wer um alles in der Welt hat den lästigen Badeanzug erfunden? Im Wasser völlig unnütz. Sogar behindernd. Der nass am einem klebt, wenn man aus dem Wasser kommt. Welcher heutzutage nie trocknet und nach zwei Jahren zerfällt.
Das dümmste Teil ist das für Frauen erfundene Oberteil. Noch unnützender und vor allem störend. Im Meer kann man die Wellen nur halb geniessen, da man nach jeder, wieder auftauchend, sein Oberteil zurechtrücken muss, weil es alles andere als die Brustwarze verdeckt. Die einzige Partie der Brust, die ja eigentlich verdeckt werden muss. Die Bikinihose hält meist auch nicht wirklich, somit man so was von beschäftigt ist, dass man meist die nächste Welle abbekommt. Dann ist man nicht nur am Bikini einsammeln, sondern seine eigenen Glieder. Genauso beim Kopfsprung ins Wasser: Ups, Bikinihose an den Knien. Oberteil am Bauchnabel. Ich nehme an, die Bikini-Designer sind Angsthasen und noch nie Kopfüber ins Wasser gesprungen, oder denken, wir Frauen würden ja sowieso nur die Zehen baden. Gut, man könnte einen Einteiler anziehen. Aber dann hat man entweder einen weissen Bauch, fürchterlich, oder ist gezwungen, den oberen Teil runterzurollen, hat zusätzlich eine Wurst zu den Pirellis und ist wieder topless.
Darum: Ganz runter mit dem Plunder!
Mein erstes Mal nackt Baden, viele Jahre nach meiner Kleinkindheit, war am französischen Atlantik. Nebst den Deutschen waren die Franzosen ja die „Blüttler“ schlechthin. Man erinnere sich an die Serie « Le gendarme de Saint-Tropez » mit Louis de Funès. Als wir uns also am französischen Atlantik weiter weg der ‚Baywatcher’ befanden, bemerkten wir, dass alle rund um uns, Familien, inklusive den Grosseltern, komplett nackt waren. Warum also nicht auch wir? Zuerst trauten wir uns nur nackt unter dem Sonnenschirm auf dem Tüchlein zu liegen. Am zweiten Tag gingen wir auch nackt baden. Und ab dem dritten Tag spielten wir sogar nackt Beachball. War das befreiend. Nur war mein Hintern nach diesen vielen Jahren noch nicht wirklich an die Sonne gewohnt. Ich hab ihn ja so was von verbrannt, ich konnte drei Tage nur unter Schmerzen sitzen. Au Backe…
Ein anderes Nackt-Erlebnis war in Kroatien. Die Nackt-Nation schlechthin. Da waren kaum Touristen in Badekleidern zu sehen. Mein dazumaliger Freund und ich mieteten ein Häuslein auf einer Mini-Insel, wo nur wir waren, zwei Hasen und Abertausende von Zikaden. Es war super heiss und jeder Stoff am Körper unerträglich. Zuletzt war ich 24 Stunden nackt. Herrlich. Ich fragte mich, welcher Mann, entschuldigt, liebe Männer, aber so blöd war keine Frau, hat dieses grundlose Kleidertragen erfunden? Man braucht Kleider, wenn’s kalt ist, wenn einem die Sonne verbrennt. Aber bei Wärme im Schatten? Oder im Wasser?
Wie kommen wir darauf, das natürliche, nämlich unseren nackten Körper, als unnatürlich anzusehen, uns unwohl zu fühlen, aber uns, in enge Kleidung gezwängt, ,wohl‘ ist? Ist das Schamgefühl wirklich angeboren oder nicht eher kulturell anerzogen? Da ich mich, jetzt weiter ausholend, soziologisch-historisch auf Glatteis bewegen würde, hier ein spannender Link zum Thema.
War ich doch heute so gemütlich am nackig meine Runden schwimmen, bzw nackt am Filter kontrollieren, hörte ich plötzlich den Gastgeber die Treppen herunter kommen und meinen Namen rufen. Ich konnte gerade noch halb rechtzeitig ins Wasser springen und ihn über mein nacktes Dasein verbal informieren. Er machte erschreckt einen höflichen Rückzieher, bis ich, da Wasser bekanntlich das Antlitz nicht verbirgt, am mich verdeckenden Poolrand angekommen, mich also in visueller Sicherheit befand, wir uns, im wahrsten Sinne des Wortes, ungeniert austauschen konnten. Danach ging er wieder weiterschlafen und ich frönte mich wieder meines nackigen Daseins.
Oft war und bin ich mir am Überlegen, warum man heutzutage, im Vergleich zu den 70/80ger Jahre, weniger nackt badet bzw an den Stränden liegt. Ist es die in die in Mode gekommene Haarentfernung? Noch weniger oder kein ‚Schamhaar’ um seinen ‚Scham’ zu bedecken? (Übrigens noch so ein bescheppertes Unwort.) Vielleicht.
Aber auch ‚oben ohne’ sieht man weniger. Warum? Sind unsere Jungen prüde geworden? Nein. Vielleicht eher konservativ, brav und angepasster. Und wenn man bedenkt, dass es hier in Brasilien (und auch in den USA) sogar gesetzlich verboten ist, oben ohne im öffentlichen Raum, sprich am Strand zu sein, und das im 2023, ist mir das alles noch mehr ein Rätsel. Frauen: Hallo?!
So werde ich mich jetzt, da hier gesetzlich ein Muss, mit meinem italienischen mini-Bikini, unten am Meer angekommen, in die Wellen stürzen und wieder aufgetaucht, die Fetzen Stoff zusammensuchen und die per Gesetzes wegen zu versteckenden Zonen rechtzeitig zu bedecken versuchen.