Also hier im Süden Portugals weht schon noch ein anderer Wind. Nämlich täglich; der Nortada. Der bringt Leben in die Hitze oder weht unser Strandzelt in die Knie. Und plötzlich ist er wieder weg.
Aber auch sonst ist es hier noch ein bisschen anders, urchiger, verlassener, authentischer, wilder. Wie früher.
Ja, dieses liebe Wort: Früher. „Da war alles noch viel besser.“ Das hörte ich schon von meinen Grosseltern. Oder von einem Regierungsrat. Als wir ihn in Teenager Jahren um einen Platz zum Skaten baten, nachdem der Theaterplatz gesperrt wurde, weil die Theaterleute halber verrückt wurden vom Lärm der Rollbretter. „Ja früher sei er noch im Wald spielen gegangen!“. Pah. Und der Skateplatz war vom Tisch.
Ja, früher warteten wir noch an Ort und Stelle, bis die mit uns verabredete Person angesprungen kam. Wir hetzten (oder meist ich) uns den Hintern ab, damit wir die akademische Viertelstunde einhielten. Früher, um wieder zurück zum Strand zu kommen, benutzten wir noch Sonnencremes mit Schutzfaktor 4, ich brauchte die 8, als einzige der Familie, mit meinem sensiblen Häutchen. Früher hatten wir sieben Stunden mit dem Auto bis ins Tessin. Das Flugzeug, um weiter zu kommen, war unbezahlbar. Ein grösseres Auto auch, sodass wir unsere sieben Stunden, zum doppelten Leidwesen unserer Eltern, klönend, da einiges an Spielzeug nicht mit durfte, da uns schlecht wurde von den vielen Kurven, da mein Bruder nervte und mir den einen Zentimeter, welchen ich unbedingt zu meinem Platz zum Sitzen bedurfte, stahl, im Auto fahrend verbrachten. Früher, als wir dann noch weiter fuhren, nach Italien, wo es nur Steh-Klos gab, ein Kindertrauma, dafür die besten Glacés, da war der Strand gereinigt vom Seegras für uns Touristen, dumm für die Fauna, und wir suchten den ganzen Tag nach den schönsten Müscheli. Abertausende lagen dazumal am Strand. Kleine, grosse, farbige, gerippte, längliche, Schnecken förmliche…. Nur die grössten und schönsten wurden behalten. Früher. Nun, heute, eben nicht mehr früher, da sind wir jetzt froh, finden wir noch eine Miesmuschel-Schale, oder besser gesagt Schäleli, hier am Atlantik, wenn überhaupt. „Oh, eine Muschel!“ Pah. Ansonsten ist selbst bei Ebbe ebbe. Und zwar an allen Stränden. Obacht: Fast, denn gestern, da war kurzes Shopping angesagt, die Frequenz ein bisschen in Richtung Teens, und baden danach an einem riesigen Strand neben dem Städtchen. Und ein Wunder geschah: Es hatte Muscheln. Wie früher. Abertausende. Grosse, kleine, zwar nur drei Sorten aber egal. Zudem zwei tote riesen Quallen in den Wellen. Das Meer lebt! Oh welch Freude! Ich spazierte am Strand, er war sehr lang, verlor mich mit den Muscheln, in den Muscheln, lief und lief, kam bis zur Hafenmauer, beziehungsweise Flussmündungsmauer, eine Hand voll Muscheln, sie waren schon schwer. Nun, über die Mauer blickend, erinnerte ich mich plötzlich wieder, was uns vor unserem Aufbruch Antonio, unser „Landlord“, erklärte, nämlich, dass in dieser Flussmündung Muscheln gezüchtet werden. Ach darum! Oh weh! Am Liebsten hätte ich die gesammelten Muschelschalen allesamt wieder in den Sand geworfen. Aber die konnten auch nichts dafür. So schleppte ich sie den ganzen Weg zurück zu den anderen, sozusagen mit meinen Trophäen zurückkehrend, und es herrschte Freude und Erstaunen, als ich sie überbrachte. „So viele grosse schöne Muscheln!“
Ja, wie früher… nur nachgeholfen…