Nun ja, ich bin immer noch im Land der Pharaonen, vor mir eine eigentlich wunderschöne Kätzin mit langen, fettigen, zerzausen Haaren und ihrem Jungen. Vier Wochen alt? Sie lecken den Rost ab ,auf welchem wir zuvor das zweite der zwei glücklicheren Hühnern brieten.
Weiter weg liegt ein Ziegenkopf im Kies. Ihr Fleisch wurde gestern nach Mitternacht von jungen Beduinen gebraten und verzehrt, ich war schon im Bett am Schlafen, die Knochen lagen heute vor der Küchenhütte herum.
Heute Morgen, halb über den Ziegenkopf stolpernd, lief ich vorbei an einem auf seinem Teppich betenden Mann. Mekka, unweit von hier, hundertfünfzig Kilometer. Greifend nahe.
Ergriffen hat mich das Ganze, die Knochen, der Ziegenkopf, der betende Mann; und ich konnte das erste Mal so richtig den Tod meines Vaters beweinen. Nicht, dass mein Vater gläubig oder Muslim war. Aber am liebsten wäre ich rüber geschwommen, und nach Mekka gewandert um dort meinem Vater zu gedenken. Seltsam. Ich schluchzte jedoch weiter vor meinem Hüttli aufs Meer hinaus. Tausend und eine Träne.
Die Männer um mich rum begriffen gar nichts mehr und waren ganz besorgt. „My father died“ war aber dann doch ein Grund zum mental Nastüchli reichen und tröstende Worte stammeln. „you have to remembrer the good times“ wuuuhuuuuhuuuuu, schluchz.
In den letzten Tagen hatten wir viel Zeit zum Austausch und zum Diskutieren; über den Glauben, den Tod, das Leben, den Sinn, die Frauen, die Männer, die Liebe, das Geld, die Arbeit, den Stolz und: die Armut.
Wir Freunde und Touristen aus Europa als ihre Hoffnungsträger und ihre Zukunft, um ihr Leben wieder einigermassen ins Lot zu heben. Die Hotels und Camps standen hier zwei Jahre leer, zerzauste Hütten, verwehte Anlagen, einige wiederbelebt, andere aufpoliert, die meisten jedoch noch verlassen am Warten, bis jemand sich ihrer annimmt. Mit Zukunft ungewiss. Die grosse Hoffnung des Wiederanfangs letzen Sommer im Keim erstickt. Die Ersparnisse aufgebraucht, der Glaube an Gerechtigkeit verloren, die Hoffnung vom Winde verweht.
Da steh ich hier, und merke, dass sich die wenigsten schon nur ihre Zigarettensucht leisten können, geschweige den Café dazu. Von Fleisch können sie träumen. Und von meinen (mit ihnen geteilten) unglücklichen oder glücklichen Hühnern bald auch. Nur, sagen tun sie nichts. Da liegt der Stolz. Und die Würde. Sie essen scheu mit, bis mir nach einer Woche der Kragen platzt.
Reisen sei nicht wichtig, zu Hause sei es doch auch schön, höre ich manchmal in unseren Breitengraden. Nein, sage ich da. Wissen sie, was man alles beim Reisen lernt? Andere Menschen. Andere Sitten, anderes Essen, andere Düfte, andere Sichtweisen, andere Lebensweisen , andere Glaubensweisen, andere Wahrheiten, andere Freuden, andere Werte, anderer Stolz, …. Man lernt Verständnis zu haben für Andere, Andersartiges, Fremdes. Und dass wir uns schlussendlich doch nach dem Gleichen sehnen: Nach Liebe, Anerkennung, Wertschätzung, Geborgenheit, etwas zum Essen, einem Schlafplatz, einem Dach über dem Kopf und Frieden.
Heute war ein trauriger Tag. Mit Tränen über Verlust, Armut und Würde.