Der Sinai im Spätnachmittagslicht liess mich in sehnsüchtig melancholischer Stimmung verweilen. Diese spitze Erdfarbenpracht, welche ich im Taxi von Dahab Richtung Flughafen Sharm El Sheik sitzend bewundern konnte. Aus den Lautsprechern erklang dezent arabische Musik, das Geräusch der leicht geöffneten Fenster liessen mich an alte Klimaanlagefreie Zeiten erinnern, welch ein Segen. Der Blick auf die Wüste mit den reihenweisen, zickzackigen Bergketten, eine wahre Augenweide. Dazwischen Ansammlungen einfacher Hütten, von PET und Plastikmüll umgeben. In den wenigen Bäumen und Büschen hingen Tüten. Die Hügel, zum Teil wie Weihnachtsbäume, in allen Farben bestückt, Abertausende PET Flaschen und sonstige weggeworfene, vom Winde weggetragene Plastikabfälle erblickend. Meine Mutter erzählte mir einst, von ihrer Israel- Palästina Reise zurückkehrend, ich war noch ein Teenager, wie Unmengen Plastiktüten rumfliegen würden in der Wüste. Ob es mit dem PET Müll von heute noch mehr ist? Mir kommen die fleissig sammelnden SchweizerInnen in den Sinn.
Der Tag der Abreise ist einerseits ein Tag des Abschieds, anderseits der Heimkehr. Beides mit Sehnsucht verbunden. Die Sehnsucht, die zu verlassene vertraut gewordene Ferne bald wieder bereisen zu können, und die Sehnsucht, wieder in die ferne Vertrautheit heimzukehren, bald wieder zu Hause zu sein.
Dahab war für mich dieses Mal ein sehr interessant gewordenes Pflaster. Einst Billig-Tauchspot und Backpacker Hotspot, seit Anfang Corona jedoch zunehmend Zufluchtsort Andersdenkender. Aus demokratischen Ländern in eine Militärdiktatur flüchtende Freiheitsfindende. Eine grosse Kommune Europa-Enttäuschter. Massnahmenflüchtlinge. Mit der Sehnsucht auf Normalität in ihrer Heimat wartend.
Zurzeit stecken in Dahab auch viele Menschen aus Russland und der Ukraine fest. Mit dem Unterschied, dass den UkrainerInnen eine gewisse Summe pro Nacht vom ägyptischen Staat bezahlt wird. Sehnsüchtige Videocalls in den Cafés, friedliches zusammen bangen, generelles Unverständnis gegenüber der durch ein paar wenige Testosteronmachos , genannt Staatsoberhäupter, angezettelten humanitären Katastrophe. Die Sehnsucht nach Erwachen auch auf dieser Seite.
Auf dem Flughafen eine Stimmung der Ungewissheit, ungeimpfte Russen und Ukrainer, welche ihren Ersatzflug nach England nicht wahrnehmen können, und je näher man sich zum Gate begibt, desto lächerlicher kommen einem die wieder einzuhaltenden Corona-Massnahmen vor, aber desto braver werden die Masken getragen, die gehobenen Fäuste werden in den Sack gesteckt, die Finger strecken sich langsam aus ihrer Ballung und sind wieder bereit, die Maske hoch und runter zu ziehen, das Pcr-Testergebnis oder das Impfzertifikat zu halten, das Hirn stellt auf Flugmodus ein und das Mundwerk auf lautlos.
Zurück bleibt die Sehnsucht.