Heute, am 11. hätte ich um 11 beim Kinesiologen sein sollen sollen, aber ich kam um 11.11h, was soviel heisst wie: (Viel) zu spät. „Sie haben Stress, Frau Konrad.“ Tja. Ich glaube, ich hetzte selbst meinem Leben hinterher. Denn ich bin immer und überall zu spät. Mindestens ein paar Minütchen bis zur akademischen Viertelstunde. Darüber zum Glück eher selten.
Meine 28 Verspätungen in der letzten Dekade meiner Gymnasialzeit und den darauffolgenden 8 Stunden Arrest, welche ich mit Französisch-Übersetzungen absass, seien hier nur kurz erwähnt. Denn in der Schweiz sind schon ein paar Minütchen Grund zur Verstimmung und Schimpfereien. In der Schule ein paar Sekunden nach dem Klingeln. Es kam soweit, dass unser Klassenlehrer uns nicht mehr erlaubte, das Zimmer zu spät zu betreten, da ihm das „Geläutsch“ vieler zu spät Kommenden aus dem Konzept brachte.
Auch meine kleinen SchülerInnen sehen mich mit grossen Augen an, wenn ich im letzten Zacken anfahre und ins Zimmer stürme. Die älteren machen es sich schon gemütlich. Und Kinder, welche selbst zu spät sind, sind anfangs ganz verwirrt, dass ich nicht schimpfe. Und kommen mit der Zeit entspannt zu spät. Ist das nicht herzig? Soviel zur Erziehung oder eben nicht.
Mein guter Freund R aus Mauritius stellte bei unserem ersten Abmachen fest, dass ich ja gar nicht Schweizerisch sei, da ich nicht pünktlich bin. Seitdem kommt er Mauritianerisch: Nämlich anderthalb Stunden zu spät.
Nach einem wiederholten Anschiss einer Freundin sprach ich das ich-komme-immer-zu-spät-Thema bei meinem Shrink an, natürlich tauchte ich auch bei ihm wieder mal verspätet auf. Nur, dort ersparte es mir die Wartezeit. (Denn bei welchem Dökti muss man nicht warten? Und zwar bis zu über einer Stunde!) Nun, er meinte, es gäbe kein pünktlich, denn Leute, welche rechtzeitig kämen, seien immer zu früh. Hilfe! Wie anstrengend! Da muss man ja warten. Und hätte so vieles noch erledigen können. Nun, da sehen wir den wunden Punkt. Erstens warte ich nicht gerne, das macht mich nervös, da bin ich lieber zu spät und nervös. Zweitens mache ich, selbst wenn ich nichts mache, noch viel zu viel, bevor ich losgehe. Und dann bin ich eben zu spät.
Er meinte weiter, solange ich keinen Job verliere, soll ich eher schimpfende Freunde wechseln. Was für eine grandiose Antwort! Nun, meine Jobs habe ich noch, meine Freunde auch, und zu spät komme ich immer noch. Ich kann ihnen also meinen Shrink wärmstens empfehlen.
Und apropos zu früh: Vor lauter Panik, ich könnte Zug, Flugzeug oder noch schlimmer, den Anschluss während der Reise, verpassen, bin ich immer viel zu früh, stehe als erste vor der Zugtür zum Umsteigen, hetze auf das nächste Peron …. Von wegen entspannt im öffentlichen Verkehrsmittel! Ich bin doppelt so gestresst wie beim Autofahren. Denn im Auto kann man noch mit illegalen Manövern und Tempo (nicht weitersagen) einige Minütchen aufholen. Dabei kann man rumschimpfen und den anderen Verkehrsteilnehmer die Schuld geben. Schlafmützen. Sonntagsfahrer!
Und hier mein Stolz: ich habe noch keinen Zug und kein Flugzeug verpasst!
Nun, jetzt sollte ich eigentlich schon lange bei Serafino sein. Aber ich korrigiere noch meinen Text, lade ihn rauf und bin dann: wieder mal viel zu spät…