Nummer drei

Mein innerer Drang hiess mich ins Flugzeug zu steigen, dem Winter zu entfliehen und in die Sonne und die Wärme zu fliegen. Da mir die Covid-Regeln einen Strich durch gewisse Rechnungen gemacht haben, war meine Reise noch mit zwei Umbuchungen verbunden und mit enttäuschten Freunden, welche sich auf meinen Besuch freuten. Nun sitze ich also über dem Wolkenmeer, die verschneiten Alpen überquerend, welche Pracht, mit der Option bzw Destination Nummer drei, nämlich dem Roten Meer.

Ich wollte eigentlich meine Noise-Reduction-Kopfhörer miteinpacken, aber die Vernunft, nämlich weniger Gepäck, siegte. Nun sitze ich hier im Flugzeug, von Kids umzingelt, mit meiner Vernunft schimpfend. Ich kann wählen: Entweder die von den Eltern eingeschalteten Tablets mit Trickfilmen auf Lautsprechermodus zu ertragen, oder die kinderlose Meckergeiss rauszuhängen und mich zu beklagen, oder meine iPhone Kopfhörer in die Ohren zu stecken, das Volumen auf Maximum zu drehen, und die Musik, welche mir schon zum Halse raushängt, die neueren Songs habe ich dummerweise vergessen ganz runterzuladen, zur Überschallung anzuhören. Bravo. Ich wähle Option Nummer drei, trotz Risiko des erweiterten Ohrenschadens.

Kaum die Musik eingeschaltet, ist zum Glück der Balg neben mir eingeschlafen, das Tablett wurde ausgeschaltet, meine Musik kurz danach, und ich hab wohl auch ein Nickerchen gemacht, denn der Onboard-Service hat schon seine Runde gedreht als ich wieder aufwachte. Der Duft von warmen Schokoladenbrownies hat mich aufgeweckt. Mein Mund war weit geöffnet, zum Glück hinter der Maske (endlich mal ein Vorteil dieses Stofflappens), hoffentlich habe ich nicht geschnarcht. Wie peinlich.

Apropos Maske: Kurz bevor das Flugzeug abhob, verspeiste ich mein beim Leyes gekauftes « Niçois au Thon » (Tunfisch-) Sandwich. Meinem kurzen Einwand nicht folgend, nämlich ein Sandwich mit einer anderen Füllung zu kaufen, habe ich später im Flugzeug bitter bereut. Denn, den letzten Bissen runter kauend, muss man ja sofort die Maske wieder anziehen. Sie können sich vorstellen, wie angenehm es war, den eigenen Fisch-Atem zu riechen. Pfui. Zum Glück hatte ich noch einen „Beignet“, bei uns Berliner genannt, übrig. Sofort hinterhergegessen, hat er mich vor einem Lungen-Fischvergiftung gerettet.

Dann überkam mich der Durst und sonstige Bedürfnisse. Ich sass am Fenster und das immer noch schlafende Kind auf Papas Schoss neben dran. Jetzt war die Frage: Kind wecken, mit dem Risiko des Beriesel-Terrors oder weiterleiden? Ich entschloss mich wiederum für Option Nummer drei, nämlich über die Sitzenden bzw den Schlafenden zu klettern. Da waren sogar die Eltern froh und bedankten sich nach gelungenem raus und zurück klettern.

Mein erworbenes Wasser und dessen Kohlensäure wurde mir dann zum Fisch-, und mein darauffolgender Kaugummi zum Hustverhängnis. Unglück kommt selten allein; leider begann ein Kind nach dem anderen zu erwachen und ein Tablet nach dem andern um mich herum zu erklingen.

Liebe Eltern, schon mal was von Kopfhörer für eure Kinder gehört? Oder sollte ich jetzt mein Handy mit dem neuesten Circle Video mit Colyn auf Lautsprechermodus anmachen, oder die Oper „le malade imaginaire“ von Charpentier erklingen lassen? Das wäre doch wenigstens für alle ein schallender Hochgenuss. Ich entschied mich für Nummer drei, ehemalige Lösung Nummer zwei: Motzen. Grosse, verständnislose Augen sahen mich an. Und genützt hat’s nichts.

Fazit: Nie mehr ohne Noise-Reduction Kopfhörer, oder noch besser: Ohropax ins Flugzeug zu steigen.