Wissen und Meinung

Diese Woche hatte ich eine Diskussion mit einer Freundin über Wissen und Meinung. Wann weiss man und wann meint man zu wissen? Wie reichert sich wer in welcher Form Wissen an? Und schlussendlich, wem nimmt man sein Wissen ab?

Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Da zählt Wissen, um sich behaupten zu können und dieser Gesellschaft von nutzen zu sein. Nun, ich gehöre zu den Kandidaten, die so ziemlich alles interessiert und den erzählenden Leuten an den Lippen klebt, aber meist stundenlang am Handy (Fauxpas Nr 1) im Internet (Fauxpas Nr 2) verweilt, um zu erfahren, wer wie was wo zu meinem eben gerade entdeckten Thema von sich gibt. Danach werden Bücher bestellt (im Internet, Fauxpas Nr 3), an Kursen persönlich oder per Zoom teilgenommen, Notizen ins Handy geschrieben (Fauxpas Nr 4), Texte, Zeichnungen abfotografiert (Fauxpas Nr 5) und Videos zur Erinnerung (Fauxpas Nr 6) des gelernten gemacht. Nun, der grösste Fauxpas ist die Summe aller Fauxpas. Denn ich wagte den Satz „ich habe es im Internet gelesen“ in die Diskussionsrunde zu werfen, und… Trööööööt: Halbwissen! Peng! Da half kein Name der Website, kein Buch mehr zu zitieren. Ich wurde zur Meinenden abgestempelt. Da war ich natürlich zutiefst beleidigt.

Ich hirnte den ganzen Tag am Thema Wissensaneignung rum. Ich traute mich nicht mehr „ja ich weiss“ zu sagen (woher?- Vom Internet). •Wie also erlangt man Wissen? •Gilt etwas zu Wissen erst mit Diplom? Oder irgendeinem Zertifikat? •Weiss man nur, wenn man es sich auf konventionellem Weg aneignete, ansonsten ist es Halbwissen, Meinung, Theorie oder Behauptung? •Wer bestimmt, ob man weiss oder nicht? •Das Gegenüber?

Zu meiner Schul- und Studienzeit gab’s Bibliotheken und natürlich lehrende Menschen, um sein Wissen zu erlangen. Diesen Büchern und Menschen glaubte man. Man musste. Ob die Lehrenden zu wissen meinten oder wirklich alles genau wussten, war schwer nachzuweisen. Nur einer meiner Klassenkameraden stritt sich mit dem Geschichtslehrer um Daten und Begebenheiten. Darauf wurde von beiden Seiten nachgeforscht und in der nächsten Lektion mit Quellenangaben die Wahrheit ausgefochten. Zur Hälfte lag der Lehrer falsch.

Papier ist geduldig, sagt meine Mutter oft. Nun, das Internet definitiv nicht. Da findet man vom hundertsten ins tausendste. Mit Mehrsprachenkenntnissen surft man in Foren, Webseiten, Blogs, Social Media und auf YouTube in aller Welt. Da weiss man bald nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Aber die Wissbegierde wird gestillt.

Dank dem Internet ist man weltweit verknüpfter und verbundener, kann Meinung und Wissen austauschen. Um weiterzukommen. Kann sich Wissen aneignen und Meinungen vertreten.

In der Antike waren es die Philosophen, welche sich Gedanken über das Wissen machten. Sokrates kam zum Schluss, dass er ein nicht Wissender ist. Natürlich ging es da eher um den Sinn des Seins, das Wissen um Gut und Böse. Danach waren es die Kirchenväter, welche ihr Wissen von der Kanzel verkündeten, dann die Zeitungen, die Politiker und später kam das Radio und Fernsehen noch dazu. An deren Wissen glaubte man. Und glaubt noch immer. Obwohl man weiss, dass sie allesamt immer wieder logen und lügen.

Nun sagt mir das Internet, ich gehörte zur „Digitalen Wissensgesellschaft“. Aha. Und ja, heutzutage lernen die Kinder und Jugendlichen mit iPad in der Schule, müssen googeln um ein Thema zu erarbeiten, in Frankreich werden den Eltern via Internet die Noten und der Stand der Dinge mitgeteilt. Meine Schülerin sah mich gekreuzelt an, als ich meinte, es lohne sich, die Telemann-Duette gedruckt und als Heft gebunden zu kaufen. „Das findet man doch gratis im Internet“.

Stimmt. Da gibt es IMSLP.org für Musiker, das Projekt-Gutenberg.org für Leser und einige Bibliotheken für alle. Als Beispiel die Bibliothèque nationale de France. Sie ist in mehreren Sprachen ziemlich komplett digitalisiert. Mit eigener App Gallica. Da kann man suchen und das gefundene direkt ausdrucken. Ich weinte Tränen vor Jahren, als ich Manuskripte und Orginaldrucke einfach zu Hause fand und ausdrucken konnte.

Und wenn wir gerade beim digitalen Thema sind. Social Media. Schlimm, schreien die meisten. Ist es nicht eine Frage, für was man sich interessiert und wem man folgt? Es tut mir leid mitteilen zu müssen, dass ich mir viel Wissen aneigne auf Instagram. Ich folge interessanten Leuten welche ihr Wissen teilen. Daraus gibt es Diskussionen, Links zu anderen Personen oder sogar Webseiten. Twitter habe ich nur kurz angefangen, nachdem ich Pressefotografen und Journalisten kennenlernte, aber mir wurde Sturm und Drang, so interessant war es dort. Keine Zeit. Facebook wird langsam wieder interessanter, aber es bleibt ein Blabla- und Schimpf-Portal.

Weiss Gott, wie sich diese digitaler Wissensgesellschaft entwickelt. Aber wenn es Energietechnisch so weitergeht, ist bald fertig Digital, und wir werden wohl wieder Brieftauben züchten müssen und auf dem Marktplatz den Erzählern zuhören gehen.

Ich sässe dann in Saint-Louis auf dem Marktplatz um mein bescheidenes Wissen zu teilen. Und noch einige Anektötli dazu erzählen. Ihr seid dann alle dazu herzlich eingeladen.