“Follow your intuition” ist Linda Tellington-Jones‘s Lebensmotto. Und ihr Lebens-Ratschlag.
Wenn ich mit meinen Gedanken durch mein schon zurückgelegtes Leben wandere, fällt mir auf, dass auch ich meist meiner Intuition gefolgt bin, meinem Instinkt meist vertraut habe, und wenn nicht, ich es doch hätte tun sollen. An wirklich böse Menschen bin ich nie geraten und vertraute auch immer den vertrauensvollen. Ich will damit nicht behaupten, ich sei nie enttäuscht worden, aber die Enttäuschung kam meist daraus, dass ich eben meinem Instinkt oder der Intuition nicht folgte, weil ich das Voraussehbare nicht akzeptieren wollte. Als das Voraussehbare dann eintrat, war ich wohl eher von mir selbst enttäuscht. Mit offenen Augen in die Sch… gerannt zu sein.
Nun bringt einem aber dieses Verrennen auch weiter in Erfahrungen. Denn jede Sch… riecht anders. Entschuldigt die Irr-Sprache. Hier eine anständigere Metapher: Jeder Irrweg ist auch ein Weg. Meine Mutter würde jetzt sagen: „Selbsterkenntnis ist der Weg zur Besserung.“ Irrwege sind wohl Wege zum besseren Verständnis seiner selbst und seines richtigen Weges. Somit möchte ich auch meine meisten Irrwege nicht missen, denn ohne die hätte ich meinen bisherigen Weg nicht gefunden und wäre nicht die, welche ich jetzt bin.
Vor knapp zwei Jahren dachte ich mir, mich mal Pferdetechnisch auszubilden, bevor ich mir dann ein eigenes Pferd kaufen würde. Es kam aber anders. Der schöne Serafino stand zum Verkauf und Hü, ging’s umgekehrt. Er blinzelte mich an und ich habe (nun sind wir ehrlich, mit einem Monat zögern) zugeschlagen. Denn meine Intuition sagte: „Kauf ihn“ und meine Vernunft sagte: „Der ist zu jung!“. War ich je in meinem Leben vernünftig?! Denn Intuition geht auch oft gegen die Vernunft! Jetzt haben wir den Salat. Gemeinsam. Seit anderthalb Jahren sind ich und Serafino uns am Freuen, am Schaffen, am Spazieren, am Abwarten und am Teeli trinken, am Ringen, am Kämpfen und am Friedenspfeifen rauchen. Aber vor allem am Lernen. Geduld miteinander zu haben und mit sich selbst. Weder meine noch seine Stärke.
Und ich tauschte und tausche mich aus mit anderen Pferdebesitzern, liess und lasse mich beraten, kaufte und kaufe mir Bücher, verschiedenste Online-Kurse, nahm persönlich an vielen Kursen mit verschiedenen Techniken teil, holte mir und Serafino Hilfe, teils wusste ich nicht mehr wo mir der Kopf stand, denn Techniken gibt’s wie Sand am Meer, Meinungen dazu auch, und jeder meint, seine sei die einzig wahre. Am besten wissen es die Männer (selbst wenn sie keine Ahnung haben), die haben nämlich die Weisheit mit dem Suppenlöffel gefressen und wohl meist schon in der Muttermilch verabreicht bekommen. Hauruck, Ping, Peng, brummel brumm heisst diese Weisheit, und ja, es stimmt, das Pferdchen pariert. Und zwar subito. Sonst…
Fragen sie mich nicht warum, aber diese abgelöschten, im Kreise rumrennenden Hauruck-Galoppis gefallen mir genauso wenig wie diese zurückgebundenen, an der Trense kauenden, versammelten, schmerzverzerrten Seitengang-Hoppis.
Nun, auf der Suche nach meinem Weg mit meinem Pferd gab’s dann nebst Irrwegen so Intuitionsglücksfälle, und einen ergab den anderen, bis ich jetzt hier im Thurgau gelandet bin, 6 Tage mit 30 Frauen, wen erstaunt‘s (und einem Mann, aber als Begleitung), einem Tellington Ttouch®️ Kurs mit Begründerin Linda Tellington-Jones und Lily Merklin beiwohne bzw. mitmache und voll begeistert bin. Ich war aber nicht die einzige. Heute war Halbzeit und der Hälfte der Frauen rannen die Tränen über die Wangen runter. Denn dieser Kurs beinhaltet Berührung, an den Pferden und an uns Menschen. Ttouches. Wenn man da nicht gerührt ist.
Was nebst den Ttouches die ganze Tellington-Technik aber richtig abhebt von allen anderen Pferdetraining-Techniken, ist das System von echter Kommunikation zwischen Menschen und Tier. Wir bleiben Menschen und das Pferd bleibt Pferd. Es gibt keine Leittier-, keine Dominanzfrage, kein Weg- oder Zurückschicken, kein Druck, kein „du musst jetzt aber parieren, sonst“, kein „ich bin hier der Chef“, kein Schimpfen, keine Schuldzuweisung, kein Bestrafen, kein Jammern und kein Bedauern.
Kommunikation in der Tellington Technik heisst: Feingefühl. Man ist aufmerksam und möchte Aufmerksamkeit; man hört zu und möchte gehört werden, man sieht und möchte gesehen werden, fragt und wird gefragt, man lädt ein und wird eingeladen, lässt Raum, man folgt dem Tempo oder gibt es an, man passt sich gegenseitig an, man fördert und fordert auf, macht Pausen, tut Gutes und hört auf, bevor es genug ist. Man fragt sich: Was kann ich tun, damit es noch besser wird.
Das Pferd muss entspannt sein im Umgang mit uns. Und sich in seinem Körper wohl fühlen. Um das zu erreichen, braucht es nebst Kommunikation die Ttouches und die Körperbänder, deren Anwendung uns wieder Antwort geben auf des Tieres Wohlbefinden und ihm helfen, seinen Körper wahrzunehmen und sein körperliches und seelisches Gleichgewicht zu finden. Kommunikation als Ganzes.
Und wenn ich da so nachdenke, kommt mir die Frage: Ist eigentlich nicht überhaupt das schönste dieses Erdendaseins die Kommunikation?
Da kommen mir schon fast wieder die Tränen.