Nun heute klingelte es heftig an der Tür. Wer das wohl sein mag? „Poscht isch do“ auf Elsässisch. „Une recommandée“. Jänusodenn. Hab ich was vergessen zu bezahlen? Oder das Steueramt? Oder eine Busse? Oder die Verwaltung? Oder endlich meinen französischen Führerschein? Im Wuschellook nach unten: Eine Pöstlerin mit Velohelm. Bravo! Zu unterschreiben gab’s. Dafür bekam ich den Brief des Erbschaftsamtes. Ach ach. Ein paar Tage nach seinem 80. Geburtstag.
Wer jetzt meint, ich hätte Millionen geerbt, der kann sich gleich beruhigen. Mein Vater liebte das Leben zu leben. Und wenn man das Leben so lebt, wie mein Vater es lebte, nämlich schön wohnen, gut essen, feine Tropfen trinken, schöne Ferien machen, ein anständiges Auto fahren, gut angezogen sein und sich dafür nicht den Buckel wund arbeiten, der hat halt dann nichts zum Vererben. Auch keine Schulden. Das ist doch echt auch mal eine Leistung.
Ja das Leben. Ist das nicht eine seltsame Begebenheit? Sind wir Menschen nicht seltsame Wesen? Wir lechzen nach Liebe und Anerkennung. Wir lieben das Leben und es fällt uns gleichzeitig zur Last. Wir möchten es uns gut einrichten und uns möglichst gut durchs Leben bringen und tun alles, um uns das Leben zu erschweren. Wir möchten möglichst lange gesund und glücklich leben und tun alles, um krank zu werden oder unglücklich zu sein. Wir leben in der Hoffnung auf „nachher wird es besser“. Jetzt durchbeissen, dann ausruhen. Ist das nicht paradox? Denn was ist nachher? Nachher wann?
Das interessanteste am Menschen ist noch, dass er dazu immer noch in der Erinnerung schwelgt. Früher! Weisst du noch? Da wo alles besser war. Nun ja, vielleicht der Spiegelblick.
Die Spezies Mensch baut Museen, gründet Einrichtungen wie Unesco Welterbe, Naturschutzgebiete, Heimatschutz etc und im Gegenzug haut sie sich gegenseitig aufs Dach, zerstört die Natur, verseucht die Umwelt und verunmöglicht sich somit die sorgenfreie Zukunft. Vielleicht weil die Vögel ausgestopft im Museum stehen? Oder das Haar momentan schön glänzt mit dem neuen Shampoo?
Nun ja, ich versuche das Leben auch zu geniessen und mein einziger Beitrag zum Erben ist momentan meine Wohnung, wenn sie dann mal abbezahlt ist. Nur ist da die Frage: Wer die wohl mal erbt? Wenn sie dann noch steht. Oder ich sie nicht verkaufen musste. Je nachdem wann ich sterbe. Und das tu ich garantiert. Früher oder später.
Ach, den Serafino habe ich vergessen. Den gäbe es auch zu erben, wenn ich früher sterben sollte, als das Durchschnittsalter es erlaubt. Aber wer so einen Punk erben möchte, der hat Mut.
Nun, wenn wir gerade bei Serafino sind, dann kann man sich an den Pferden ein Beispiel nehmen. Die leben im Jetzt, es gibt keine Planung, sind nicht nachtragend. Sie geniessen das Beisammensein, sehen zueinander, streiten auch mal, fressen den ganzen Tag, schlafen wenig, und wenn sie dann noch nicht eingesperrt wären, würden sie mindestens 30km pro Tag wandern. Ist das nicht herrlich?
Nun, ich liege auf dem Sofa, mit knurrendem Magen und werde jetzt gerade mal was zu Essen machen, dann zu Serafino radeln und das Jetzt geniessen.