Les jeux sont fait. Ich sitze im ausgebuchten aber leeren Zug (Jeder zweite Sitz ist frei wegen Corona.) zurück in die Schweiz bzw erst mal von Florenz nach Milano. Es gab doch ein paar gute Gründe, nebst der Sonne, die habe ich nämlich im Gepäck, um mich zur Heimkehr zu entscheiden. Zudem ist bald wieder der nächste Ausflug geplant.
So bin ich also im Treno, 2. Klasse Premium Sitz, chices Leder, und man bekommt gratis eine Maske, Desinfektionsmittel, Getränke, einen super guten Kaffee und was zu knabbern. Mir gab der junge Herr mit dem Wägeli eine kleine Tüte Bio-Chips, man staune, welche aber, währenddem ich hier an meinem Handy rumfummelte, von der älteren Dame schräg vis à vis von mir sitzend ganz langsam zu sich gezogen wurde. Dann in die Hände genommen, interessiert und gleichgültig zugleich die Verpackung musternd. Irgendwann verschwanden die Chips unter den Tisch auf ihren Nebensitz, und ja, Ende Zugfahrt in ihrer Tasche. Immer mit der Möglichkeit, falls ich Einwände gehabt hätte, sich aus der Affäre zu reden. Warum ich sie nicht zurück verlangte, wurde ich per WhatsApp gefragt. Hm, eigentlich fand ich die Aktion so absurd, ich wollte wissen, wie sie ausging. Und einmal in ihrer Tasche war es mir zu blöd. Wenn’s jetzt ein Pack Bretzeli gewesen wäre, hätte ich natürlich anders reagiert.
Eine leichte Odyssee ist meine Rückreise mit vier mal umsteigen, längeren Wartezeiten und dem schweren Gepäck. „Der Kluge fährt im Zuge“ ist hier ein weneli übertrieben. Aber selber schuld. Alles spontan. Nebst meinen schon aus der Schweiz mitgeschleppten Malsachen und ungelesenen Büchern hat sich jetzt noch einiges hinzugesammelt. Eine Flasche Wein zum Beispiel. Neues Aquarellpapier. Und gaaaaaaanz viele neue Kleider. Saldi in Firenze. Wer kann da widerstehen? Ich kam mir vor wie Julia Roberts in „Pretty Woman“ , nur waren meine Einkaufstüten nicht von Armani und Bottega Veneta, um mal Italien treu zu bleiben, sondern von Massimo Dutti und COS. (Definitiv nicht italienisch.) Dafür waren die Tüten so was von voll, wo ich bei Armani zu diesem Preis nur ein Pochettli bekommen hätte und bei Bottega Veneta ein Putzlümpli, um die imaginäre Tasche zu polieren. Und ja, meine eigene Kreditkarte wurde heiss. Richard Gere lieh mir seine nicht. Aber ich bin ja auch nicht Julia Roberts.
Nun bin ich im Regionalzug Milano-Domodossola, meine zweite Etappe, um überhaupt in die Schweiz zu kommen. Der Zug hat grosse (verschmutzte) Panoramafenster und ich erblicke schon die Alpen. Fussvolk Glacier-Express. In diesem Zug gibt’s weder Reservierungen, Snacks, frei zu haltende Sitze, eine gratis-Maske und Desinfektionsgel, noch Platz fürs Gepäck. Es türmen sich die Gepäckstücke auf und zwischen den Sitzen, und die Passagiere rücken zusammen. Die Fenster sind teilweise offen, und wenn der Zug in den Tunnel fährt, ist es stockdunkel, da das Licht nicht geht. Es fühlt sich so richtig an wie Ferien. Vor mir knutscht ein Pärchen, als ob es kein Morgen gäbe. Da wird man ja mehr als neidisch. Ich würde denen zwei eine ganz lange dunkle Tunneldurchfahrt gönnen. Aber der Zug schlängelt sich entlang des Lago Maggiore mit Blick auf die Alpen. Auch ohne schmusen ein Genuss.
Ja und in Domodossola, da schleppt man seine Bagagen die Treppe hoch und runter, der Lift ist kaputt. Muskulöse Polizisten kontrollieren, dass die Maske anständig sitzt und die Jungen ihre Papiere beieinander haben. Danach schreitet die „Polizia“ über das Geleise, es wird ohne Maske Bilanz gezogen, Zetteli ausgefüllt und dem alten Herren zugesehen, wie er fast die Treppe runterfällt mit seinem schweren E-Bike. Dafür kommt ein aus Afrika stammender dünner Putzmann zur Hilfe und schleppt mir auch noch den Koffer rauf und runter. So viel zu „Freund und Helfer“ und italienischer Männlichkeit.
Endlich fährt der Zug in Domodossola ein. Hunderte Passagiere quetschten sich in diesen Zug. Gefühlte drei Wägeli war der lang. In der Kürze liegt die Würze. Schon lange musste ich nicht mehr stehen im Zug. Tutuuuuuuut. Los ging’s. Den Fluss entlang, das Tal hindurch. Herrlich. Ein bisschen Wallisserdytsch, ein bisschen Italienisch, ein bisschen Englisch, Kinder mit Prinzessinnenkronen und alte Damen mit Spazierstöcken, Männer in Wanderausrüstung und andere in Badelatschen. Tutuuuut in den Berg hinein. Mit Licht, ohne Geknutsche, dafür mit quietschenden Schienen.
Die Steh-Zugfahrt hat zum Glück sein Ende gefunden und wie Ameisen verlassen die meisten die Bahn in Brig. Und ja, man muss es den Schweizern lassen, die haben am Bahnhof auch Rampen, wo man alles runter- und raufrollen kann. Zudem ist der Zug lang, somit hat’s Platz zum Sitzen. Jetzt die schönen Grünen Täler wieder runter ohne tuten. Andächtig wie in einer Kirche ist es hier drin. Meine Güte diese Bravheit und diese Ruhe. Nur ein paar Alte, welche ihr Handy nicht im Griff haben, lauthals alles kommentieren, den Klingelton natürlich nicht ausgestellt. Bing! Bing! „Ou, jetzt han-is zweimol gschickt“. Meine Nerven. Man traut sich nur leise einige Worte zu wechseln. Zum Glück nicke ich ein und träume von gar nichts. Verpennt in Bern mein letztes Umsteigen, eher ein umhechten, wer glaubt’s, die SBB hat Verspätung. Aber geschafft, mit Blick auf das überschwemmte Aare-Ufer geht’s weiter. Man hat das Gefühl man sei im Dschungel, die Fusswege unter Wasser, die Bäume stehen im Fluss wie Mangroven. Wo man hinsieht, die Vegetation ist üppig und saftig grün.
Zur Abrundung schreit gerade noch ein Goof sich die Kehle aus im Zugabteil. Ich wünschte mir ein gutes paar Noisereduction Kopfhörer. Und meine ersehnte Ankunft.
Zurück in der Bünzlischweiz werde ich auch gerade zur …. ich suchte gerade ein Femininum, aber Bünzli gibt es nur maskulin….
das soll doch einfach auch so bleiben.