Hurler

Knapp hat’s mir noch gereicht, meiner lieben Freundin zum Geburtstag zu singen. Für die Uhrzeit, fünf vor Mitternacht, hatte ich noch eine ganz passable Stimme. Ich war selber erstaunt. Dafür bin ich ja so müde von all den Advents-Sausen. Die letzte steht noch bevor.

Draussen ist es alles andere als Adventswetter. Es regnet seit Tagen. Selbst Serafino findet es langsam ungemütlich, und ich frage mich, ob seine Stinklaune, sein Heisshunger und seine Steifheit wohl mit einer Regendecke behoben werden könnte. Ich hätte auch Stinklaune, wenn ich bei diesem Wetter die ganze Zeit draussen stehen müsste.

Nur unten vor der Kirche, unter meinem Schlafzimmerfenster, da sind vier Männer bei strömendem Regen unter dem knappen Vordach sitzend oder stehend, in bester Laune am Diskutieren und Disputieren, ich konnte meine aus dem Handy säuselnde Forro-Musik schon fast nicht mehr hören. Sie waren so laut, dass sogar mein aus dem Fenster gerufenes „Silence!!!“ nicht gehört wurde. Oder vielleicht auch überhört. So musste ich halt irgendwann doch noch in meinen Mantel und in meine Fellstiefel steigen. Und in den Regen zu den schreienden Männern gehen. « Mais Madame, excusez-nous » « nous allons arrêter de hurler » Und ich bekam eine Entschuldigungsumarmung. Ob ich denn einen Mann hätte, fragte der eine. - Der sei nicht da, meinte ich - Ach darum wolle ich schlafen! Ob ich denn ein bisschen Begleitung wünschte? - ich musste lachen. Und ich verliess, mich für das Angebot bedankend, die sympathischen Hurleurs. Manchmal bringt einem so ein aus Unmut veranlasster Gang in die kalte Nacht Wärme ums Herz und gute Laune. Ich frage mich gerade, warum ich mich schon wieder so schweizerisch ab geselligen Menschen ärgere. Gibt es denn nichts schöneres, wenn man bis tief in die Nacht zusammenhockt und miteinander redet, und es einem dabei noch egal ist, wenn es regnet und kalt ist?

Nun bin ich aber gerade froh, liege ich wieder mit schon geputzten Zähnen unter meiner warmen Bettdecke und kann wohl schon bald, inklusive dem Hintergrundgeräusch der schon wieder lauter werdenden Hurleurs vor der Kirche, zufrieden einschlafen.