Geschwisterliebe

Geschwisterliebe ist so ein Ding. Zum Teil auch ein Unding. Wie oft wünschen sich Geschwister gegenseitig ins Pfefferland! Wie oft schimpft man über sein Geschwister oder wird von ihm beschimpft. 

Aber im Wort Liebe steckt eben doch der Kern der Angelegenheit. Denn meist gemeinsam aufgewachsen, haben Geschwister so einiges zusammen durchgestanden. Gemeinsam Lego gespielt. Gemeinsam Weihnachtsgutzis gebacken. Gemeinsam Ferien verbracht. Gemeinsame Abenteuer erlebt. Gemeinsam um Freiheit im Elternhaus gekämpft. Gemeinsam über andere gelästert. Sich gemeinsam gelangweilt. Gemeinsam auf allen Hochzeiten getanzt. Sich gegenseitig die Tränen getrocknet. Es hat wohl nicht so viel mit Blut und Familie zu tun als mit (zwangsweise) erlebtem und geteiltem. Konnten wir uns doch 20 Jahre, bis mein Bruder auszog, nicht entkommen. Mein Lieblingsspruch bei Geschwisterzoff ist heute noch: Solange wir leben, wirst du mich nicht los. Ich bin und bleibe deine Schwester. Erlebtes verbindet. Wir können noch so im momentanen Zwist stehen, wenn mein Bruder an mein Konzert oder meine Einladung kommt, bin ich doppelt so froh. Wenn er Erfolg hat, doppelt so stolz. Und wenn ihn die Leute mögen, doppelt so glücklich. 

Jetzt kommen wir zum Kernthema:
Ich persönlich darf wettern über meinen Bruder. Aber wehe, jemand Fremdes wagt es, einen dummen Spruch über ihn zu machen. Dann ist fertig Kirschen essen. Das geht schon in Richtung persönlicher Angriff. Da stellen sich meine Haare himmelwärts, die Krallen werden ausgefahren und ich fange an zu fauchen. 

Zumal ich es doppelt so schwer habe, da mein Bruder noch ein Mann des öffentlichen Interessens ist. Eigentlich sollte jeder über meinen Bruder schreiben und sagen dürfen was er will. So was nennt sich Meinungsfreiheit. Jedoch gibt es hier zwei Dinge einzuwenden und klarzustellen: Erstens ist es mein Bruder und zweitens bleibt er immer noch mein Bruder. Das ist das Geschwister-Einmaleins. Wenn dann so Coolio-Jounalisten, meist Männer, frei von der Leber schreibend motzen, kritisieren, frei erfinden, urteilen... Ich sage ihnen, das ist als Schwester gar nicht lustig. Denn diese Zeilen sind unaufhaltbar im Umlauf, schwarz auf weiss und mein kämpferischer Verteidigungstrieb erstickt sich im Keime. Denn da nützt kein Fauchen und keine Kralle.

Können sie sich vorstellen, wie nervös ich war, als ich vernahm, er wird am Musik-Sommerfestival „im Fluss“ in Basel, die Bühne auf dem Rhein, auflegen? Nicht, dass ich ihm das nicht zutraue. Im Gegenteil. Er kann sein Handwerk, ist und bleibt ein guter DJ sowie eine Motivations- und Stimmungsbombe par excellence! Aber ein Künstler braucht sein Publikum. Und Basel, ich liebe es, ist im Naserümpfen Meister und zudem das Mekka des Understatements. „Nur nicht auffallen“ ist hier das Motto. Die Milliardären/*innen sind in Basel in Secondhand-Tarnung mit dem Velo unterwegs.
Und mein schillernder Bruder auf dem Musik- und Kulturfloss. Meine Nerven! 

So war der besagte Abend vor der Tür, ich bibbernd unter den Zuschauern, und er ,kaum auf der Bühne, hat die Zuschauer im Nu in Partystimmung gebraucht. Uff. Das Rheinbord inklusive die Leute in den Weidlingen haben getanzt, gejubelt und so richtig Gas gegeben. Basel on fire. Da ging echt die Post ab. Gezeigt hat er‘s selbst der hinterletzten Motzgurke! Jawoll. 

Und ich war doppelt so glücklich!

Hoch lebe die Geschwisterliebe! 

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