Gläslein

Nun liege ich auf dem Sofa und habe soeben mein einstündiges Telefonat mit meiner Freundin B beendet. Die sitzt jetzt in Sète bei Sonnenschein. Und in meiner Küche steht ein schon zum zweiten Mal geleertes Rotweinglas. Seit Corona habe ich keine Flasche mehr alleine aufgemacht. Aber heute zur Feier des …. lasst mich überlegen…. der überwundenen „der Tag ist grau-meine Stimmung auch“-Krise, habe ich mir ein feines Fläschlein geholt und, bubb, glugglugglugg, mein schönes letztes Saint-Louis Glas gefüllt. Herrlich. Und dazu mit B geplaudert. Und noch ein zweites gefüllt. Noch besser. Und ein Stück selbstgemachte Quiche abgeschnitten, und noch eines, und noch ein Schlücklein. Und gut zugeredet haben wir uns. Das braucht es manchmal. Dass wir es gut haben. Und alles richtig gemacht haben. Halt anders. Und dass wir sowieso anders bla-bla-bla … was wir halt so brauchten, so bei dieser grauen Stimmung drinnen und draussen. Es hat auf jeden Fall gut getan.

Wäre Mitte Nachmittag nicht eine andere Freundin gewesen, welche es geschafft hat, sich aus ihrer Nachmittagslamento-Siesta zu retten und sich zu ihrem Rössli aufzuraffen, wäre ich bis zum Telefonat mit B wohl immer noch am Trübsal blasen gewesen. Aber hü Chanti hü, habe ich mich zu Serafino aufgemacht, und der hat mich im wahrsten Sinne auf Trab gehalten. Hui hatte der Pfupf. Ich musste zwar dieses Mal nicht selber über die Stangen hüpfen, aber dafür neben ihm her segglen, damit er nicht den Reitplatz zusammenlegt. Danach war ich voll ausser Puste. Kein Wunder, denn mit meinen harmlosen Yogaübungen kommt man einem jungen Rössli im Frühlingssaft nicht nach.

Ja, richtig gelesen, ich habe nämlich vor drei Wochen begonnen, bewegungstechnisch ein bisschen meiner Gesundheit acht zu geben. Denn ich war ungefähr so beweglich wie ein Playmobil Männchen. Jetzt bin ich schon bei der Flexibilität einer Sachapuppe. In der Hoffnung, nicht nur die Form, sondern auch meine Glieder werden bald ähnlich flexibel wie die eines Teddybären, werde ich weiter mein Yogamätteli beglücken.

Und jetzt überfällt mich gerade wieder so eine Müdigkeit. Eine Bärenmüdigkeit. Es ist ja auch kalt draussen. Und da ich die Flexibilität noch nicht habe, dafür die Form und die Energie eines Bären in Winterruhe, die zwei Gläsli Rotwein auch müde machen, und mein Magen die Quiche am verdauen ist, lass ich jetzt das Mätteli Mätteli sein und widme mich eines dritten Gläschens und meinem Pinsel. Auch das soll geübt sein.