Nun liege ich wieder einmal auf meinem Sofa und reflektiere die vergangenen Tage, oder Wochen? Draussen ein Saulärm. Drei Baustellen. Die schlimmste: die Strassenerneuerung. Oder so was ähnliches. Der Baulärm an für sich wäre ja noch ertragbar. Aber Piiiie-piiiie-piiiie-piiiie-piiie wenn der CAT sich bewegt, Piiiie-piiiie-piiiie-piiiie-piiie wenn der Lastwagen rückwärts fährt. Von halb acht bis fünf. Nonstop. Welcher Idiot von einem Minister hat sich diese « Sécurité » ausgedacht? Dem schicke ich diesen CAT mal in seinen Garten seiner Villa. Von Mitternacht bis halb acht. Mei, dann wird dieses Piiiie-piiiie-piiiie-piiiie-piiie per « ordre du jour » wieder abgeschafft.
Letzte Woche war ich am Festival der Weinmesse in Colmar. Zucchero stand auf dem Programm. Und mit seinem Hut , seinem Ranzen, seinem Charme und das Highlight: In einem grauen T-Shirt (mit einem Loch unter dem Arm) mit roter Aufschrift: « Fuck le système » stand er auf der Bühne und gab sein Bestes. Bravo. Chapeau. Ich war ganz eins mit ihm.
Drei Tage später stand M, eine französische Erfolgsgeschichte, auf dem Programm. Mit einer lokalen Rockband als Vorgruppe. Nun, da war nichts mit eins sein, da hätte ich mehr als meine 1/4 Elsässer Gene gebraucht, um nicht mit grossen Augen und einigen Fragezeichen auf der Stirn im Publikum stehen zu bleiben und verwundert auf die Bühne und um mich herum zu blicken. Es war sozusagen ein Konzertbesuch der Sozialstudien. Die Elsässer haben nämlich eines gemeinsam. Sie wissen, wie man sich möglichst unanständig benimmt, dass garantiert jeder ( ausser die Elsässer) die Augen verdreht und denkt: Wie Schade. Eine, könnte man sagen: Brezel-Eleganz. Soviel zur Vorgruppe.
Die Hauptgruppe bzw. der Kopf der Gruppe M für Matthieu, ein rundlicher intellektueller Mann meines Alters, im Mickeymouse-ähnlichen Kostüm auf der Bühne, seine Band mit farbenfrohen Plastikcaps, und das Publikum schrie und kreischte. Seine hohe Stimme passte zum Outfit. Sein Körper wollte darin nicht recht passen. Doch die Menge tobte und liess mit sich machen, was er wollte. Viel wurde gesprochen, eine halbe Komiker Show, und dazu animiert mitzusingen oder die Hände hoch, und links, und rechts oder oder, ich fühlte mich wie im Club Med bei den Animationen. Zum Davonlaufen. Was um alles in der Welt geht da in den Menschen ab? Dieses Anfeuern und Anstiften, Anstecken und Animieren. Einen Teil davon sein? Gemeinsamkeit? Aber warum geht das in diesem Falle mit Mickeymouse? Oder eben gerade deshalb? Sehen sie, da fehlten mir die französischen Gene. Das französische Verständnis. Ich glaube, wir SchweizerInnen wären dem davongelaufen. „Sing doch mal selber!“. Und zieh mal dein doofes Kostüm aus. Vielleicht sind die Kostüme noch Auswüchse von Louis XIV? Oder haben wir schlicht hinweg keinen Humor und keine Partizipiationslust? Eigenbrötlertum?
Apropos EigenBrötler bzw Brötchen und dem eigenen Kopf. Da muss ich noch einen Schämer preisgeben. Nämlich mein Wanderfiasko. Heimatstüdeli. Vom Stockhorn zur Alp Morgeten ging’s. Zweitausend Meter auf den Greten. Ich ohne Brötli und nichts Süsses, da ich meinen Ranzen am Abbauen war. Also mit Nüssen u Fleisch u Gemüse. Soviel zu Kopf. Oder eben nicht. Denn mein Körper fand das gar nicht gut und fing an zu streiken, anstatt meine Fettreserven anzuknabbern. Ich war so müde, hatte keine Luft und keine Kraft, dass ich mich weinend auf dem steilen Weg hinsetzte, „buhuhuuuu, ich kann nicht mehr“ und mir die Rega herbeisann und nach dem Apfel griff. Auch der half nur für ein paar Schritte. „Miss Duracell“ war am Ende ihrer Kräfte. Später gab‘s ein paar Weinbeeren, natürlich auch verbotenerweise, was die Diät anbetraf, aber so kamen wir wenigstens (mit einigen Stunden Verspätung) am Übernachtungsziel an. Meine Diät liess ich Diät sein, ass das ganze Menu und um viertel vor neun schliefen wir wie zwei Murmeltiere 11 Stunden am Stück. Heiliger Bimbam. Am nächsten Tag wäre eine noch längere Tour angestanden. Aber in Anbetracht meines Tempos entschieden wir uns für eine einiges kürzere. Wobei ich mit allen Carbs & Sugars wieder fit war. Nur der Mann an meiner Seite fing an zu humpeln. Sein Knie… tja. Da waren wir wieder langsam unterwegs, zwar ohne meine Tränen, aber mit seinen Schmerzen.
Mit der Diät versuchte ich es noch eine Woche, doch irgendwie ging sie mir auf den Sack. Man bringt Gastgeber zur Verzweiflung und ich verpasse die besten Champagner, und Weine und muss zusehen, wie andere Spaghettis auf die Gabel rollen während ich in meinem Salat rumstochere. Jetzt versuche ich es wieder mal mit fdH. Und viel Bewegung. Nur bei diesen Temperaturen ist ein Glace und im Schatten liegen angesagt. Tja. Beim Liegen sieht man den Ranzen weniger.
Jetzt brauch ich nur noch ein t-Shirt mit « Fuck le régime ». Im doppelten Sinne!