Ich war gestern zum Neujahrsabendessen bei A eingeladen. Um ein Haar hätte mein Kater den inneren Schweinehund zum besten Freund gemacht. Aber nur um ein Haar.
A und ich hatten uns sogar was zu erzählen. Nämlich von der Silvesternacht. Endlich, so schien es, passierte ein bisschen mehr als seit Monaten zu Hause alleine oder (für in Frankreich wohnend illegalerweise) im kleinen Kreise zusammen abendessen. Aber es schien nur, denn als wir gerade mal so nachdachten und zu erzählen begannen: Viel mehr als im kleinen Kreise zusammen zu Hause Abendessen und viel Alkohol trinken, oder wie A im Schrebergarten frierend zusammen Abendessen und viel Alkohol trinken, passierte auch wieder nicht. Die Partystimmung wollte sowohl an meinem wie an seinem Anlässchen nicht wirklich aufkommen. Tja.
Ich frage mich schon seit ein paar Wochen, warum ich so wahnsinnig müde bin dieses Jahr. Die Adventszeit und diese Feiertage schienen mir so viel anstrengender als je zuvor. Wie kann das sein? Meine Erklärung bzw Schlussfolgerung ist, dass zum momentanen monotonen Eremiten-Leben sowohl die Ablenkung, Erlebnisse, wie auch der oberflächliche Gesprächsstoff fehlt und wir in Gesellschaft trotzdem immer sprechen müssen. Es gibt kein mit Leuten Dasitzen und nichts tun, kein ausgelassenes im Café hocken und Menschen beobachten, an der Bar rumstehen und rumglotzen, tanzen mit Freunden ohne Ende und ohne Gespräche. Kein Konzert, kein Theater, kein Museum. Keine Erholung für die Sinne und den Geist. Und auch keine Nahrung. Keine fremden Ländern. Keine neuen Bekanntschaften. Keine Abenteuer. Keine fröhliche Ausgelassenheit.
Nein. Es ist immer ernst. Es gibt keinen Smalltalk mehr. Immer tiefe Gespräche. Philosophieren. Nachdenken. Diskussionen. Meinungsäusserungen. Dispute. Man wir persönlich. Und ist dazu dünnhäutig. Es ist emotional. Fordernd. Aufwühlend. Anstrengend. Ermüdend.
Man ist in kleiner Runde immer in verbaler Aktion. Kann sich nicht zurückziehen und nur mal zuhören. Ansonsten wäre es still. Das einzig aktuelle Thema Corona haben alle so satt, aber um es nicht ansprechen zu müssen braucht es viel Kreativität. Denn die Anekdoten der angebrannten Tomatensaucen und der missratenen DIY-Aktionen sind auch schnell oder schon längst erzählt, alle guten Witze ausgeplaudert oder man hat die Pointe vergessen. Und fällt das Coronathema doch, wird zuerst gejammert, dann darf man hoffen, die kleine Runde ist plus minus der gleichen Meinung. Ansonsten gibt es entweder Streit oder das Thema wir sofort zur verbrannten Tomatensauce gewechselt und so weiter und so fort.
So bleibt einem nichts anderes übrig als es den Bären gleich zu machen: Winterschlaf! Guet Nacht Zzzzzzzzzz